Kamikochi, Kyoto, Hiroshima


In der Zwischenzeit bin ich schon fast mit der Fähre von Osaka unterwegs nach Kyushu. Aber vorher war ja eigentlich die Idee durch die Japanischen Alpen nach Kyoto zu fahren. Das klappte leider nicht ganz so wie gedacht.

Matsumoto – Kamikochi – Matsumoto
Wie im letzten Blog Eintrag geschrieben, hatte ich von anderen gehört, dass der Tunnel nach Kamikochi ziemlich mühsam sei. Ich war deshalb gespannt, was mich da erwarten würde. Zuerst ging es von Matsumoto aus etwas durch die Ebene und dieser Teil war abgesehen von vielen Rotlichtern einfach. Dann ging es das Tal hinauf und die Tunnels begannen. Und diese waren recht mühsam da schlecht belüftet und viele Lastwagen und Busse unterwegs waren. Meine Lunge füllte sich mit Russ und ich fühlte das auch ohne Asthma… Nach längerem erreichte ich schliesslich die Abzweigung nach Kamikochi und damit auch den berüchtigten Tunnel. Durch diesen dürfen nur Busse, Taxis, PWs mit Bewilligung und eben auch Fahrräder fahren. Nachdem die anderen Tunnels schon ziemlich unangenehm waren, fragte ich mich etwas, wie die noch zu toppen seien. Und zwar durch die Steigung von 11+% und dies durchgehend auf der ganzen Strecke von mehr als einem Kilometer. Aber davon liess ich mich nicht mehr abschrecken und los ging es. Es war wirklich sehr steil und auch anstrengend. Aber der Verkehr war doch erheblich weniger als in den Tunnels vorher. Ich machte einige kurze Pausen um etwas Luft zu holen, erreichte aber nach gut 20 Minuten das andere Ende. Dieser Tunnel war aus meiner Sicht nicht allzu schlimm. Jedenfalls fand ich diejenigen auf der Zufahrt hierhin unangenehmer… Nach dem Tunnel ging es noch etwas weiter hoch und nach ein paar Kilometern erreichte ich schliesslich den geschäftigen Busbahnhof im Tal.

Vor der Fahrt durch den Tunnel steckte mir einer der Wächter einen Zettel zu, auf dem eingetragen war, bis wohin ich mit dem Velo fahren dürfe. Und dies war eben nur bis zum Busbahnhof. Der naheste Camping im Tal lag aber doch noch ein Stück weiter hinten und ich hatte keine Lust all mein Gepäck dorthin zu tragen. So stieg ich vom Rad und begann es in Richtung Zeltplatz zu schieben. Ich war gespannt, wie weit ich komme, bis mich jemand stoppen würde. Vorerst ging es gut. Ich wurde zwar etwas komisch angeschaut (wieso auch immer genau) aber man liess mich passieren. Kurz vor Erreichen des Zeltplatzes stellte sich mir aber ein Mann in den Weg, redete auf mich ein und zeigte mit einer Geste, dass man hier mit dem Velo nicht durch dürfe. Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich nur bis zum Campingplatz müsse und verwendete dafür sogar eines der wenigen Japanischen Wörter, die ich mir merken konnte: tento für Zelt. War ja auch fast Englisch. Aber Englisch verstand der gute Mann leider nicht und ich musste deshalb mit ihm zurück zum Busbahnhof. Dort holte er dann jemanden, der etwas Englisch konnte. Die junge Dame erklärte mir, dass ich hier nicht Velo fahren dürfe. Ich erklärte ihr dann, dass ich nur zum Camping wolle und nicht all mein Gepäck dorthin tragen könne. Nach längerem willigte sie ein aber meinte, dass ich das Fahrrad stossen müsse, was ich ja bereits vorhin tat. Und so probierte ich es halt nochmals. Auch dieses Mal wurde ich komisch angeschaut, aber niemand stoppte mich. So erreichte ich schliesslich den Zeltplatz, stellte mein Zelt auf, kochte etwas zu Essen und ging schlafen. Schliesslich war es um 18h schon wieder komplett dunkel.

Eigentlich wäre das Tal super schön um einige Wanderungen zu machen. Ich wollte aber möglichst bald in Kyoto sein, da ich dort abgemacht hatte. Und so verliess ich das Tal wieder, nachdem mein Zelt einigermassen trocken war. Dieses Mal brauchte ich für den Tunnel nur zwei bis drei Minuten… Nachher ging es wieder den Berg hinauf bis zum Portal des Abo Tunnels. Eigentlich hatte ich vor durch den Tunnel zu fahren und nicht über den Pass. Am Tunnelportal hatte es aber ein Autoschild, wie man es an den Schnellstrassen findet. Dies bedeutet normalerweise, dass Fahrräder hier nicht durch dürfen. Aber ein eigentliches Veloverbotsschild hatte es nicht. Erstaunlicherweise hatte ich Mobilempfang hier und schaute deshalb im Internet nach. Und dort fand ich doch einige die schrieben, dass man mit dem Velo nicht durch den Tunnel dürfe. Und so ging es halt Richtung Pass.

Ich hatte bereit etwa 10 der gut 16 Haarnadelkurven hinter mir, als ein entgegenkommendes Auto anhielt und die Fahrerin meinte, dass der Abo Pass ab heute geschlossen sei; auch für Velofahrer. Ich wollte dies aber nicht wahrhaben und fuhr weiter. Einige Haarnadelkurven später stand ich aber tatsächlich an einer Absperrung. Es war nicht nur ein einfaches Schild sondern die Strasse war regelrecht verbarrikadiert. Nun hatte ich ein ernsthaftes Problem: Der Pass war gesperrt und durch den Tunnel durfte ich nicht. In Südamerika wäre ich trotzdem über den Pass gefahren oder vielleicht auch durch den Tunnel. Aber hier wollte ich es nicht riskieren. Ich hatte keine Lust von der Japanischen Polizei aus dem mehr als 5km langen Tunnel geholt zu werden. Deshalb entschied ich mich nach Längerem wieder nach Matsumoto zu fahren. Enttäuscht und auch frustriert machte ich mich auf den Weg. Ich hatte keine Ahnung, was ich nun machen sollte.

Am Abend erreichte ich schliesslich das Hotel, in welchem ich zwei Tage zuvor schon war. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Aber so ist es halt manchmal. Ich begann alternative Wege nach Kyoto zu suchen und verwarf die eine oder andere Idee auch wieder. Schliesslich entschied ich mich etwas zurück zu fahren und dann nochmals einen Weg durch die Berge zu nehmen, genauer gesagt durch das Kiso Tal. Das sollte eigentlich auch noch schön sein.

Matsumoto – Kyoto
Nach einem Japanischen Frühstück machte ich mich auf den Weg. Es sollte ein sehr langer Tag werden und ich machte relativ wenige Pausen. Mein Ziel war es möglichst weit zu kommen, um doch noch rechtzeitig in Kyoto zu sein. Sehr viel von den Sehenswürdigkeiten im Tal sah ich leider nicht, da ich dafür relativ lange Abstecher hätte machen müssen. Es war schon dunkel, als ich nach gut 115km einen etwas abseits gelegenen Campingplatz erreichte. Die letzten Kilometer fuhr ich nur noch nach GPS, da ich überhaupt nichts mehr sah (keine Strassenbeleuchtung). Der Mann am Schalter konnte es kaum glauben, dass ich mit dem Velo in einem Tag von Matsumoto hierhin gefahren war… Am Anfang wollte er 4’700 Yen (über 50 CHF) für die Übernachtung, was mir viel zu viel war (mehr als ein Hotelzimmer). Schliesslich reduzierte er auf 2’100 Yen (etwa 25 CHF) was immer noch genug war. Aber ich hatte nicht wirklich eine Alternative. Dafür hatte ich den ganzen Camping für mich alleine…

Am nächsten Tag ging es weiter Richtung Kyoto. Die Strecke war nicht sehr interessant und ich wollte wiederum möglichst weit fahren, aber nicht mehr in der Dunkelheit wie am Tag zuvor. Ich erreichte kurz vor dem Eindunkeln schliesslich einen Zeltplatz in Inuyama. Alle Hostels und Hotels in der Region waren komplett ausgebucht (wegen einem verlängerten Wochenende, wie ich später erfuhr). Auch auf dem Zeltplatz war ziemlich viel Betrieb. Auf einer Tafel stand etwas davon, dass man sich registrieren müsse. Wo stand aber nicht. Und einer der anderen Camper meinte, dass es kostenlos sei. Und so stellte ich mein Zelt auf und ging relativ früh schlafen.

In der Nacht regnete es und ich musste deshalb mein Zelt am Morgen erst mal etwas trocknen lassen. Ich war gerade am Zusammenräumen, als ein älterer Japaner vorbei kam. Er redete in Japanisch auf mich ein und ich interpretierte soviel, dass ich bei ihm vorbeikommen und mich registrieren müsse. Das tat ich dann auch. Nachdem ich das Formular ausgefüllt hatte, redete er wiederum in Japanisch auf mich ein. Rundherum standen diverse Japaner (auch jüngere) aber keiner versuchte irgendwas zu übersetzen. Nach längerem kapierte ich, dass ich auch noch 500 Yen zu zahlen hätte. Als ich auch dies tat, konnte ich gehen. Lost in Translation…

Kurz bevor ich diesen Zeltplatz am Tag zuvor erreichte, brach an meinem Hinterrad eine Speiche. Es war die erste defekte Speiche in meinem ganzen Velofahrerleben und ich wusste deshalb nicht recht, ob ich das gleich reparieren müsse oder doch noch etwas weiterfahren durfte. Nach Konsultationen zu Hause (Danke, Marco!), wagte ich es und fuhr mit der defekten Speiche los. Die Strecke führte durch dicht besiedeltes Gebiet und war dem entsprechend nichts besonderes. Wegen den vielen Rotlichter kam ich nicht so schnell voran wie gedacht und es wurde mir klar, dass ich es nicht bis zu den Zeltplätzen weiter südlich am Biwa Lake schaffen würde. Ich buchte deshalb wieder ein günstiges Hotel. Kurz vor Sonnenuntergang erreichte ich den Biwa Lake und genoss den Sonnenuntergang. Als ich schliesslich das Hotel erreichte und mein Gepäck abgeladen hatte, bemerkte ich, dass sich mein Hinterrad an der Stelle der defekten Speiche massiv verbogen hatte (oder es vorher schon verbogen war) und ständig an der Bremse vorbei schrammte. Kein Wunder war es heute ziemlich anstrengend… Es blieb mir nichts anderes übrig als im Hotelzimmer mein Hinterrad zu reparieren. Eine defekte Speiche am Hinterrad ist wohl fast der worst case abgesehen von gerissenen Felgen oder einem defektem Rahmen. Speziell auch, da man dafür spezielles Werkzeug braucht. Und ich war mir nicht sicher, ob ich all das Nötige dabei hatte. Aber zum Glück klappte es und nach gut einer Stunde war das Rad repariert. Ich hatte es aber nicht gewagt auch gleich die anderen beschädigten Speichen zu ersetzen… Die Zukunft wird zeigen, ob die Reparatur auch längerfristig hält… Für die Strecke nach Kyoto reichte es jedenfalls mal.

Kyoto, Hiroshima und Osaka
Mein Ziel war am 8ten Oktober in Kyoto zu sein und dies erreichte ich mit einer Punktlandung. Für den nächsten Tag hatte ich abgemacht. Und es war sehr schön für einmal wieder mit jemanden unterwegs zu sein. Wir besuchten verschiedene Tempel und genossen auch wieder einmal ein richtiges Japanisches Essen. Vielen Dank Roger, Akiko und Familie!

Ursprünglich hatte ich vor, von Kyoto aus mit dem Velo weiter Richtung Hiroshima zu fahren. Da sich die Blätter in den Wäldern aber noch nicht verfärbt haben und zudem mein Weiterflug eh von Osaka aus ist, möchte ich eigentlich Anfangs November nochmals ein paar Tag in der Region verbringen. Es fehlt mir aber die Zeit um dann auch noch mit dem Velo bis nach Kyushu (die südlichste Insel der grossen Japanischen Inseln) zu fahren. Deshalb entschied ich mich mit dem Zug nach Hiroshima zu fahren und dann von Osaka aus die Fähre nach Kagoshima im Süden von Kyushu zu nehmen. Dies ist zudem eine gute Entschuldigung um mit einem Shinkansen (Hochgeschwindigkeitszug) zu reisen :-).

Und so ging es mit dem Zug nach Hiroshima (diese Shinkansen sind wirklich schnell!) und von dort gleich weiter auf die Insel Miyajima. Eine  der Sehenswürdigkeiten dort ist ein Torii (Bogen), der im Wasser steht. Zwar war die Flut schon vorbei, aber es hatte zum Glück immer noch etwas Wasser um den Bogen herum, als ich diesen erreichte. Im Stile eines richtigen japanischen Touristen in Europa ging es dann gleich wieder zurück nach Hiroshima und dort besuchte ich das Peace Memorial Museum, den umliegenden Peace Memorial Park und den Atomic Bomb Dome (einem stark beschädigten Gebäude aus dieser Zeit). Es war sehr erschütternd zu lesen, was die Atombombe, die am 6ten August 1945 auf die Stadt abgeworfen wurde, dort auslöste und auch wieso die Bombe schlussendlich auf Hiroshima abgeworfen wurde (auch um die Entwicklungskosten begründen zu können und ihre Wirkung in einer Stadt zu testen). Bis Ende 1945 starben durch die Bombe mehr als 145’000 Menschen. Oder wie es im Museum treffend hiess: Nie zuvor wurde ein Massenmord so schnell durchgeführt… Leider ist die Welt diese Erfindung bis heute nicht mehr losgeworden.

Am nächsten Tag ging es mit dem Shinkansen wiederum zurück nach Kyoto.

Und von dort geht es morgen mit dem Velo weiter nach Osaka für einen kurzen Zwischenhalt und dann mit der Fähre nach Kyushu. Und darauf freue mich sehr, denn dort wartet ein weiterer Höhepunkt der Reise: Der aktive Vulkan Sakurajima. Hoffentlich ist er auch während meinem Aufenthalt in der Region so aktiv wie die letzten paar Wochen :-).

Viele Grüsse aus Kyoto,

Stefan

PS: Bilder zu diesem Teil gibt es in der Gallerie.


Über Stefan

I'm a telecommunication engineer by profession and like to discover the world by bike. I think, that it is the perfect speed to move but still be in touch with the world and the people which live there. And I'm very happy, that my wife Susanna is joining me now on those adventures. If you are interested in other journeys we did so far, please also check my website www.biketravel.net. Stefan, Switzerland

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